Nach meinem Besuch im Yangmingshan Nationalpark und am Tamsui Fisherman’s Wharf stand am Sonntag etwas Kulturgeschichte auf dem Programm. Über das Office of International Affairs meiner Uni hatte ich mich zur Taipei Golden Age Walking Tour angemeldet.
Das Nordtor
Los ging es mit der Besichtigung von „Beimen“, dem Nordtor. Dieses wurde 1884 nach einer versuchten Invasion Japans als Teil der Stadtmauer errichtet. Unserem Tourguide Lynn zufolge ist das Nordtor das einzige der vier Stadttore, das noch im Original besteht. Die Schriftzeichen über dem Eingang bedeuten übersetzt soviel wie: „Empfange die Gnade (des Kaisers)“.
Tatsächlich hatte ich das Nordtor bereits auf meinen ersten Solo-Spaziergängen im Rahmen der Self Health Management Week entdeckt und fotografiert – damals unter strahlend blauem Himmel. Am Tag der Walking Tour hatten wir nicht ganz so viel Glück mit dem Wetter, wie die folgenden Fotos zeigen. Spaß gemacht hats trotzdem!
Das Büro des Eisenbahnministeriums und das Postamt von Taipeh
Nur einen Katzensprung vom Nordtor entfernt befinden sich das ehemalige Büro des Eisenbahnministeriums und das Taipeh Postbüro. Ersteres, ein schönes Gebäude im Tudor-Stil und japan-typischem Rot, wurde 1919 unter japanischer Herrschaft gebaut. Es diente als Büro der Kolonialabteilung, die für die Verwaltung, den Bau und den Transport aller Eisenbahnen in Taiwan zuständig war. Nach 1945 wurde die Abteilung von der neuen Regierung in „Taiwan Railway Administration“ (TRA) umbenannt, und das Gebäude war bis in die 1990er Jahre ihr Sitz. Danach stand es lange Zeit leer, bis 2014 die Restaurierungen begannen. 2020 wurde das historische Bauwerk unter großem Beifall wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht: als Eisenbahnmuseum.
Auf der anderen Seite des Nordtors, quasi direkt gegenüber, steht das Postamt von Taipeh. Ursprünglich 1895 gegründet, wurde es während des zweiten Weltkriegs von den japanischen Truppen als ihr Militärpostamt eingerichtet. Zur besseren Tarnung vor Luftangriffen ist es unauffällig beige-braun statt rot. Auch heute noch dient es als Postamt.
Der Fa Zhu Gong Tempel
Unsere nächste Station war der Fa Zhu Gong Tempel. Was daran sofort ins Auge fällt, ist die ungewöhnliche Art und Weise, wie er über der Straße gebaut ist: So, dass der Verkehr direkt darunter hindurchfahren kann.
Das war Ende des 20. Jahrhunderts eine Kompromisslösung zwischen der Tempelgemeinde und den Stadtplanern. Als der 1869 ganz normal ebenerdig errichtete Tempel zugunsten einer Allee umziehen sollte, konnte das nicht ohne die Erlaubnis seines Gottes geschehen. Danach befragt, lehnte er jedoch ab. Damit, dass er an Ort und Stelle bleiben durfte, jedoch in den ersten Stock verlegt würde, war er jedoch einverstanden. Für die neue Gestaltung war derselbe Architekt zuständig, der auch Taiwans berühmtestes Bauwerk, den Taipei 101, entworfen hat.
Der Hauptgott des Fa Zhu Gong Tempels soll die örtliche Gemeinschaft übrigens vor Seuchen und Krankheiten schützen – in Zeiten von Corona sicher sinnvoll.
Das Tianma Teehaus und der Zwischenfall vom 28. Februar 1947
Auf der anderen Straßenseite, direkt gegenüber des Tempels, befindet sich dieses Gebäude:
Dort ereignete sich, wie Lynn uns erzählte, 1947 der „228-Zwischenfall“ bzw. das „228-Massaker“. Taiwan war zwei Jahre zuvor von Japan an China übergeben worden. Die Spannungen zwischen der alteingesessenen Bevölkerung und den neu Zugewanderten nahmen zu. Als eine arme Zigarettenverkäuferin von einem Anti-Schmuggel-Beamten zurechtgewiesen und niedergeschlagen wurde, sorgte das für Aufruhr unter den anwesenden Beobachtern. Als der Beamte einen Warnschuss in die Luft abgeben wollte, erschoss er versehentlich einen Zivilisten.
Dieser Vorfall führte zu einem inselweiten Aufstand der taiwanischen Bevölkerung gegen die Regierung, der durch das chinesische Militär gewaltsam niedergeschlagen und zu einer Phase weißen Terrors führte. Dabei kamen zwischen 10.000 und 30.000 Zivilisten ums Leben. Heute ist der 28. Februar in Taiwan im Gedenken daran ein Friedenstag und zugleich staatlicher Feiertag.
Xia-Hai Stadtgott Tempel
Die nächste Station war wieder eine spirituelle Stätte: Der 1859 erbaute Xia-Hai Stadtgott Tempel beherbergt über 600 Gottheiten. Damit verfügt er über die höchste Statuendichte in Taiwan. Unter den Göttern ist auch der „Alte Mann unter dem Mond“, der chinesische Amor. Seine Statue soll den Menschen traditionell eine gute Ehe bescheren. Daher zieht der Tempel viele Singles an, die auf der Suche nach einer glücklichen Beziehung sind. Auch als wir ihn besuchten, war er trotz des Regenwetters gut frequentiert.
Unsere Führerin Lynn erzählte uns, dass einem alten chinesischen Glauben zufolge Seelenverwandte durch eine rote Schnur miteinander verbunden sind. Diesen Schicksalsfaden bestimmt sie dafür, einander irgendwann zu begegnen und dann für immer vereint zu sein. Wenn man eine rote Schnur mit sich herumträgt und sie eines Tages zufällig verliert, heißt das, dass sich der Traumpartner bzw. die Traumpartnerin ganz in der Nähe befindet…
Dihua Straße
Schließlich kamen wir zur Dihua Straße, der ältesten Straße Taipehs. Optisch sticht sie durch ihren besonderen architektonischen Stil hervor. Er besteht aus einer Mischung von chinesischen und europäischen Einflüssen, die über die verschiedenen Regime hinweg gut erhalten geblieben ist.
In den 1850er Jahren angelegt, war und ist die Dihua-Street ein wichtiges Zentrum für den Handel mit taiwanischen Produkten und Importwaren. So gibt es hier zum Beispiel Trockenwaren, Stoffe, Räuchermaterialien, Tee-Utensilien, chinesische Heilkräuter und handgefertigte Laternen und Taschen zu kaufen.
Neues Leben wird der historischen Straße auch durch moderne Kunsthöfe sowie stilvolle Cafés und Restaurants eingehaucht. Wie uns Lynn erzählt, bietet die Regierung jungen Gründer*innen an, ihre Geschäfte in historischen Gebäuden zu eröffnen. Unter zwei Bedingungen: Sie machen sie für Touristen und andere Interessenten zugänglich, und ihr Business hat etwas mit der ursprünglichen Geschichte des Gebäudes zu tun. Ein Shop für Tee-Utensilien, den wir besichtigten, befand sich zum Beispiel in einem traditionellen japanischen Langhaus.
Auf ein spezielles Produkt machte uns Lynn aufmerksam: essbare Schwalbennester, der „Kaviar des Ostens“. Diese aus Vogelspeichel bestehenden Nester gelten als absolute Delikatesse, der gesundheits-, potenz- und schönheitsfördernde Eigenschaften nachgesagt werden. Das hat natürlich seinen Preis: Eine solche Box davon kostet 10.000 bis 15.000 Neue Taiwan Dollar, umgerechnet ca. 300 bis 500 Euro.
Die Tour endete mit diesem farbenfrohen und detailreichen Wandgemälde der Dihua Straße:
Liebe Daniela
Ich bin schrecklich weil mir immer was dazu einfällt!
Vor dem Wandgemälde in der Dihua Straße hast du dich schon mal fotografieren lassen sehr schön
Und das war bestimmt ein toller Trip . Das Postamt find ich auch sehr imposant!
Liebe Grüße
Hab mich etwas vertieft in den Tempel Xia-Hai
Der hat ja lustige Öffnungszeiten.
Opening Hours
Sunday 06:16 – 19:47
Monday 06:16 – 19:47
Tuesday 06:16 – 19:47
Wednesday 06:16 – 19:47
Thursday 06:16 – 19:47
Friday 06:16 – 19:47
Saturday 06:16 – 19:47
❤️