In der Hauptstadt Taiwans zu wohnen, ohne den Taipeh 101 zu besichtigen, ist, wie Paris zu besuchen und den Eiffelturm auszulassen. Mit 508 Metern und 101 Stockwerken – daher der Name – ist dieser charakteristische Wolkenkratzer das höchste Gebäude Taiwans. Als Wahrzeichen der Hauptstadt ragt er weit über die übrige Skyline Taipehs hinaus. Von 2004 bis 2007 war er sogar das höchste Gebäude der Welt, bevor er vom Burj Khalifa und mittlerweile zehn weiteren Gebäuden überholt wurde.
Am Tag meines Besuches war der Himmel wolkenlos und es herrschten 27 Grad. Das ist selbst bei Taiwans subtropischen Klimaverhältnissen ungewöhnlich für Mitte Dezember. Die vielversprechende Aussicht war mir also die verhältnismäßig teuren 600 Neue Taiwan Dollar (knapp 20 Euro) wert, die das Ticket kostete. Immerhin gab es 10 Prozent Studentenrabatt.
Ich war zuversichtlich gewesen, es nach Vorlesungsende pünktlich zum Sonnenuntergang auf den Turm zu schaffen. Zumal die Aufzüge des Taipeh 101 bis 2013 die schnellsten der Welt waren. Allerdings hatte ich unterschätzt, wie lange der Ticketkaufprozess dauern und dass man noch durch eine Sicherheitskontrolle sowie diverse „Touristenfallen“ geschleust werden würde. Als ich schließlich oben ankam, war die Sonne schon fast untergegangen. Einen kleinen Rest habe ich mit meiner Kamera aber noch erwischt.
Auch die darauffolgende abendliche und dann sehr schnell nächtliche Lichtstimmung war sehr schön. Der Ausblick sowieso: Mein schottischer Mitbewohner Kieran beschrieb ihn, „als stünde man an Deck eines riesigen Schiffes und sähe auf ein Meer aus Hochhäusern herab“.
Das pagodenähnliche Design des Gebäudes beruht übrigens auf der chinesischen Tradition. Es greift zum Beispiel immer wieder die chinesische Glückszahl acht auf. Außerdem wurde nach der Feng-Shui-Lehre erbaut, was die Mieter vor negativen Einflüssen schützen soll. Auch die überdimensionalen Glücksmünzen an der Fassade bewahren angeblich vor schlechten Geschäften, was für das Taipei Financial Center (wie der Taipeh 101 offiziell heißt) sicher sinnvoll ist.
Das Design und die Tragstruktur sind außerdem einem Bambusrohr nachempfunden. Das hat nicht nur optische Gründe, sondern soll auch die Belastbarkeit des Gebäudes erhöhen. Und das ist sehr wichtig: In Taiwan treffen die eurasische und die philippinische Kontinentalplatte aufeinander, was die Insel zu einer der aktivsten Erdbebenregionen der Welt macht – über 4.000 pro Jahr (eins davon habe ich in meinem Quarantäne-Hotel selbst erlebt, Gott sei Dank nur als ganz leichtes Schwanken). Zudem rasen jährlich bis zu neun Taifune über den Inselstaat. Zum Schutz des Gebäudes gibt es noch eine weitere wichtige Vorrichtung:
Das größte Tilgerpendel der Welt
Zwischen dem 88. und 92. Stockwerk befindet sich eine riesige, goldene Kugel, aufgehängt an armdicken Stahlseilen: Das Tilgerpendel des Taipeh 101. Wie Wikipedia mich informiert, handelt es sich dabei um eine 660 Tonnen schwere vergoldete, aus einzelnen Scheiben gefertigte Stahlkugel mit einem Durchmesser von 5,5 Metern. Durch ölhydraulische Dämpfungselementen wirkt sie Schwankungen des Gebäudes entgegen. Die maximale Beschleunigung bei Stürmen wird durch dadurch etwa halbiert. Dieser Schwingungstilger ist der momentan größte der Welt – und der einzige, der für öffentliche Besichtigungen zugänglich ist. Folglich wieder ein sehr besonderes Erlebnis!
…. wie immer :
Die Daumen HOOOCH!