An einem regnerischen Samstag Ende November lud unsere Chinesisch-Lehrerin auf eine Zeitreise ein. Genauer gesagt, auf den Besuch eines berühmten historischen Anwesens: die Residenz und Gartenanlage der Familie Lin, einer reichen Kaufmannsdynastie aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Stadtteil Bangiao von Neu-Taipeh gelegen, gilt das etwa 20.000 m² große Anwesen als herausragendes Beispiel für die traditionelle Architektur und Gartenkultur der späten Qing-Dynastie. Es ist außerdem das besterhaltenste dieser Art in Taiwan – ein wertvolles kulturelles Erbe.
Zwar war ich am Vorabend bis zwei Uhr morgens auf meinem ersten Nachtmarkt und in einer Spielhalle unterwegs gewesen, doch diese Chance auf eine geführte Tour wollte ich mir nicht entgehen lassen. Und so fand ich mich zusammen mit einem Dutzend meiner Kommiliton*innen trotz regnerischen Wetters und verhältnismäßig kalten 18 Grad am Morgen vor dem Anwesen ein.
Während der Ort von belebten Straßen, einem Nachtmarkt, Kleidergeschäften und neuzeitlichen Gebäuden umgeben ist, taucht man beim Betreten des Gartens in eine andere Welt ein. Auf mich wirkte es nicht nur wie eine Reise in die Vergangenheit, sondern fast schon in eine Art Wunderland: So faszinierend fand ich die filigrane fernöstliche Architektur, die vielen verwinkelten kleinen Pfade und Tunnel, Treppen und Brücken, alten Bäume, exotischen Blumen, Teiche und nachgeahmten Berglandschaften.
Von unserer Lehrerin, Fong-Pei Chen, lernten wir neben historischen Details zum Gebäude auch viel über die Bedeutung einiger Symbole, die dort Decken oder Mauerwerk zierten. Fledermäuse zum Beispiel, die hierzulande eher mit dunklen Mächten in Verbindung gebracht werden, gelten in China als Glücksbringer. Ihre chinesische Bezeichnung 蝙蝠 (biānfú) klingt wie 变福 (biàn fú), was man mit »glücklich/wohlhabend werden« übersetzen kann. Wenn man zum Beispiel sagt: „eine Fledermaus kommt vom Himmel herab“ (蝠子天来, fúzi tiān lái) , könnte man auch „das Glück fällt vom Himmel verstehen (福子天来, fúzi tiān lái).
Sehr lustig war auch die Erklärung zu unserem seltsamen Fund dreier grüner Snacktüten in einem Technikraum: Dabei handelt es sich um einen Aberglauben in Taiwan (Kuai Kual Kultur), bei dem die Arbeiter Snacks der Marke Kuai Kuai (乖乖) neben oder auf die Maschinen legen. Der Name des Snacks steht für „gehorsam“ oder „brav“ und sorgt angeblich dafür, dass ein Gerät ohne Fehler funktioniert. Tatsächlich ist er in der taiwanischen Gesellschaft daher wohl an unzähligen Arbeitsplatzen zu finden.
Wichtig ist auch, dass ausschließlich die Sorte in den grünen Tüten verwendet wird: Grüne Anzeigenlämpchen am PC oder einer Maschine deuten schließlich auf reibungslose Funktion hin, wohingegen man gelbes oder rotes Blinken in der Regel nicht sehen möchte.
Überraschend war auch eine Hightech-Kunstinstallation in einem der Räume. Dabei konnte man sich durch Gesten eine Yoga-Figur auswählen und sie anschließend nachahmen. Die eigenen Bewegungen wurden erfasst und mit einem leuchtenden virtuellen Avatar verschmolzen, den man durch das Halten der Pose mit neuer Energie auflud:
Insgesamt war es ein sehr schöner, stimmungsvoller und lehrreicher Ausflug!
Ich freu mich sooooo sehr mit dir, liebe Dani, dass du das ALLES erleben und lernen darfst!!!!
Erstrecht, nachdem die „nervliche Achterbahnfahrt“ wegen der Coronasituation/Einreiseerlaubnis usw. sooo viel Kraft und Tränen gekostet hat!
Guuuut, dass du nicht aufgegeben hast!
Danke, dass du uns durch diesen Blog „mitnimmst“ in deine Erfahrungen im „Auslandssemester“!
Tolle Fotodokumentation und vorzügliche Berichterstattung!!!
Muddi